Kolumne: Aufklärung tut Not

Sie kennen das bestimmt auch: Sie verlieren etwas und finden es einfach nicht wieder. Irgendwann, vielleicht erst Jahre später, suchen Sie etwas völlig anderes - und finden dabei ganz zufällig den seit Jahren vermissten Gegenstand.
Wenn Ihnen das mit einem Hut oder einem Regenschirm passiert, ist das ärgerlich, aber halb so wild. Wenn aber das Land Baden-Württemberg 1.440 Lehrerstellen einfach so „verliert“, ist das bildungspolitisch der Super-GAU. Und auch ich stehe kopfschüttelnd vor dem, was kürzlich nun herausgefunden wurde.
Genau das ist passiert: Vermutlich über viele Jahre - wie viele genau ist noch unklar - hat das Land zahlreiche Lehrerstellen einfach unbesetzt gelassen, weil sie vermutlich durch eine technische Panne in der Personalverwaltung fälschlich bereits als besetzt ausgegeben waren.
Es gibt Einiges aufzuarbeiten, doch schon heute ist klar:
- Durch diesen Fehler blieb die Chance auf weniger Unterrichtsausfall und mehr individuelle Förderung auf der Strecke - fatal für die Schülerinnen und Schüler!
- Durch diesen Fehler sind viele fertig ausgebildete Referendare nicht eingestellt worden - fatal für die Lehrerinnen und Lehrer!
- Durch diesen Fehler sind etwa 35.000 Unterrichtsstunden jede Woche nicht gehalten worden - fatal auch für die Eltern, die den Unterrichtsausfall abfedern mussten!
Deshalb habe ich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Parlament aufgefordert, sich für diesen Skandal zu entschuldigen: Seit über 14 Jahren führt er die Landesregierungen an. Die politische Verantwortung liegt bei ihm. Noch im Oktober 2022 sprach er davon, er könne die alte Leier nach mehr Lehrkräften nicht mehr hören. Angesichts der aktuellen Entwicklungen muss das für alle am Schulleben Beteiligten wie Hohn klingen.
Ebenso erwarte ich auch vom grünen Finanzminister Danyal Bayaz mehr Aufklärung als bisher. Er muss beantworten, warum der Fehler in seinem Haus nie aufgefallen ist. Immerhin geht es um eine Summe von etwa 120 Millionen Euro pro Jahr, die unbemerkt blieb.
Was ist nun zu tun? Vor allem zwei Dinge: Erstens müssen die offenen Stellen möglichst zum kommenden Schuljahr nachbesetzt werden, um die Unterrichtsversorgung schnell zu verbessern. Auch die gymnasialen Lehrkräfte, die aufgrund der Umstellung auf G9 bisher nicht eingestellt wurden, müssen ein Angebot erhalten. Zweitens muss zügig Licht ins Dunkel kommen, wie dieses bildungspolitische Debakel passieren konnte. Wenn nötig, sind wir Freie Demokraten auch für einen Untersuchungsausschuss offen.
Unzählige Fragen sind noch ungeklärt. An ihrer Beantwortung wird sich zeigen, ob sich der von Winfried Kretschmann selbst konstatierte Vertrauensverlust in staatliches Handeln noch abwenden lässt. Es ist peinlich und inakzeptabel, dass man bundesweit über unser Bundesland lacht. Lange ist’s her, dass wir bildungspolitisch in Deutschland spitze waren, nämlich 14 Jahre. Es wird höchste Zeit, dass wir wieder höhere Ansprüche an uns stellen.