15. Landtag von Baden-Württemberg | 135. Sitzung – Donnerstag, 16. Juli 2015, 9:30 Uhr
5. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung/ Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für
Baden-Württemberg – Drucksache 15/7134
-Es gilt das gesprochen Wort-
„Herr Präsident, liebe KollegInnen,
im Sommerinterview mit der Südwestpresse vom 8. August 2014 wurde der Kultusminister zu den Realschulen gefragt, ob er hier auf Freiwilligkeit oder auf Gesetzesänderungen setze.
Antwort des Kultusminsters: „Die Frage ist, ob die Realschulen die Gemeinschaftsschule als Option sehen, ihre eigenen Probleme zu lösen. Die Alternative wäre, dass wir ein Reformkonzept vorgeben, um die Realschulen Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.“
Übersetzt heißt das nichts anderes als: Und seid Ihr nicht willig, Gemeinschaftsschule zu werden, dann werdet Ihr zwangsumgewandelt!
Von den insgesamt 271 Gemeinschaftsschulen sind aber nur 25 aus Realschulen hervorgegangen. Die übrigen Gemeinschaftsschulen sind ehemalige Haupt-/Werkrealschulen.
Ihre Sorge um den Fortbestand ihres Schulstandorts hat die Landesregierung eiskalt ausgenutzt, um möglichst viele Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg zu etablieren.
Meine Damen, meine Herren,
insgesamt sind 409 staatliche Realschulen nicht auf den Gemeinschaftsschulzug aufgesprungen. Auch von den 79 privaten Realschulen des Schuljahres 2013/14 ist mir keine bekannt, die sich in eine Gemeinschaftsschule umwandeln wolle.
Die bisherige Standhaftigkeit der Realschulen droht das ideologische Prestigeprojekt der Landesregierung zu gefährden.
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Der mittlerweile von der Landesregierung mit der Evaluation der Gemeinschaftsschule betraute Bildungswissenschaftler Thorsten Bohl warnte die Landesregierung im Jahr 2013: „Es ist strukturell nicht erkennbar, wie eine wirklich heterogene Schülerschaft für die Gemeinschaftsschulen gewonnen werden kann, wenn Gemeinschaftsschulen unverändert mit Realschulen und Gymnasien konkurrieren. Damit läuft die Gemeinschaftsschule Gefahr, als Standortrettung missverstanden zu werden und ist damit langfristig (u. a. aufgrund der geringen Schülerzahlen) in einem unklaren und möglicherweise fragilen Zustand.“
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Meine Damen, meine Herren,
aus Sicht von Grün-Rot haben sich die Realschulen in Baden-Württemberg bockig gezeigt und aus diesem Grunde hat die Landesregierung mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf nun das Zwangsumwandlungsgesetz vorgelegt. Dabei ist es offensichtlich, dass die Landesregierung die Gemeinschaftsschule an den Realschulen durch die Hintertür einführen will.
Zwar ist zu begrüßen, dass die Realschulen mehr Poolstunden erhalten sollen. Womöglich gerade weil sie so erfolgreich und geräuschlos arbeiten, blieben die Realschulen bei der Personal- und Sachmittelausstattung hinter den anderen weiterführen Schularten zurück. Wir Freien Demokraten befürworten außerdem, dass die Realschulen zukünftig auch den Hauptschulabschluss anbieten sollen. Denn Grün-Rot kann natürlich die Hauptschulen abschaffen, Sie können aber nicht die Hauptschüler abschaffen!
In dieser Situation wäre es an der Realschule vernünftig und auch naheliegend, Kurse auf verschiedenen Leistungsniveaus zu bilden.
Gerade das aber will der Gesetzentwurf unterbinden: „Der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit entspricht sie vor allem durch individuelle Förderung in binnendifferenzierender Form.“ (Art. 1 § 7 Abs. 4 Schulgesetz neu).
Zudem wird an allen Realschulen eine Orientierungsstufe eingeführt. Die Möglichkeit der Nichtversetzung in Klasse 6 soll abgeschafft werden.
Die hierbei geplanten Maßnahmen bedeuten für die Realschulen und ihre Lehrkräfte eine erhebliche Einschränkung ihrer pädagogischen Freiheit. Dabei bräuchten die Realschulen nach Einschätzung der Freien Demokraten eher mehr als weniger Gestaltungsspielräume, wenn sie zukünftig Schülerinnen und Schüler sowohl auf den Realschulabschluss als auch auf den Hauptschulabschluss vorbereiten sollen. Die FDP ist dezidiert der Ansicht, dass den Realschulen erlaubt werden müsste, nach Leistung differenzierte Kurse zu bilden, wenn sie dies für zweckmäßig erachten. Ebenso sollte nach unserer Auffassung auch die Entscheidung über eine mögliche Nichtversetzung weiterhin in der Verantwortung der Schule liegen.
Die Realschule hat gerade aufgrund ihrer pragmatischen und leistungsorientierten Pädagogik zahlreichen jungen Menschen echte Lebenschancen eröffnet. Die Betriebe schätzen die Realschüler und den Realschulabschluss außerordentlich.
Die FDP/DVP-Fraktion hält daher die Zwangs-Umwandlung der Realschulen zu Gemeinschaftsschulen für hoch riskant, daher unverantwortlich und wir lehnen sie entschieden ab.
Hauptschulabschluss und bessere Ausstattung für die Realschulen ja, aber Einschränkung ihrer pädagogischen Freiheit nein!“